Elf Minuten Ruhe

Von nicht twit­tern­den Präsi­den­ten, sozi­al­be­ar­bei­te­ten Gewalt­tä­tern, inhalt­lich fehl­ge­lei­te­ten Eisen­bah­nen, Poli­zis­ten in der Schule und auf dem Wasser, einstür­zen­den Schul­bau­ten, geplan­ten Abris­sen, fehlen­den Notauf­nah­men, zu klei­nen Flug­hä­fen und schwu­len Opas.

 

US-Präsi­dent

Mit der provo­ka­ti­ven Aussage „Elf Minu­ten Ruhe“ über­schrieb eine Zeitung am Frei­tag ihre Meldung, dass der Twit­ter-Account des US-Präsi­den­ten abge­schal­tet worden war. Nach Aussage des Betrei­bers hatte ein Mitar­bei­ter den Account von Donald Trump an seinem letz­ten Arbeits­tag deak­ti­viert und 41 Millio­nen Follower beka­men 11 Minu­ten lang ledig­lich eine Fehler­mel­dung zu sehen. Dumm gelau­fen und sofort steigt in einem die Scha­den­freude auf. Schließ­lich hat Trump viele der übels­ten Pöbe­leien und abwe­gigs­ten Aussa­gen über Twit­ter verbrei­tet.
Doch die Häme bleibt einem im Hals stecken, wenn man weiter denkt. Gerade weil er seinen Account dazu nutzt um Poli­tik zu machen, kann es kata­stro­phal sein, dass jemand ande­res darauf zugreift. Ist es möglich, dass irgend­je­mand darüber mal eben Nord­ko­rea den Krieg erklärt und damit eine Reak­tion auslöst, die die Welt in einen neuen großen Krieg stößt? Nicht, dass das nicht auch von Trump selber zu erwar­ten ist, bei ihm muss man ja mit allem rech­nen. Aber allein die Tatsa­che, dass auch andere diese Möglich­keit haben, kann einem Angst machen.

Alex­an­der­platz

Angst haben auch manche Leute am Alex­an­der­platz. Dort kommt es immer wieder zu gewalt­tä­ti­gen Über­grif­fen, meist unter Jugend­li­chen. Die Boule­vard­me­dien nehmen das gerne zum Anlass, Panik zu verbrei­ten und zu behaup­ten, man können heut­zu­tage nicht mehr unge­fähr­det den Platz über­que­ren.
Abge­se­hen davon, dass in der Regel gar nicht der Alex­an­der­platz gemeint ist, sondern der Platz rund um den Fern­seh­turm, ist es doch reich­lich über­trie­ben, von täglich rund 350.000 poten­zi­el­len Opfern zu spre­chen.
Der Moabi­ter Ratschlag hat nun zur Eindäm­mung der Gewalt einen Jugend­treff nahe der Rathaus­straße einge­rich­tet. Warum Moabit? Keine Ahnung. Eher sinn­los erscheint aber die Inves­ti­tion von 140.000 Euro, wenn man sieht, dass dieser Treff abends nur bis 21 Uhr geöff­net hat. Die große Menge der Über­griffe findet jedoch am späten Abend statt. Gut gemeint, aber nicht wirk­lich gut gemacht.

Bahn fehl­ge­lei­tet

Das könnte man auch als Motto der Deut­schen Bahn bezeich­nen. Wir erin­nern uns: Der Rechts­vor­gän­ger der DB war die Deut­sche Reichs­bahn. Sie orga­ni­sierte die Depor­ta­tion von hundert­tau­sen­den Juden aus ganz Europa in die Konzen­tra­ti­ons­la­ger. Darun­ter war auch das Mädchen Anne Frank, das 1944 von Holland aus mit der Reichs­bahn ins KZ Ausch­witz trans­por­tiert wurde. Ein halbes Jahr später wurde sie in Bergen-Belsen ermor­det.
Die Deut­sche Bahn hatte nun die eher geschmack­lose Idee, einen der neuen ICE-Züge nach Anne Frank zu benen­nen. Ob diese auf den Stre­cken zwischen Holland und Polen einge­setzt werden sollen, war bisher nicht zu erfah­ren.

Hilfe, Poli­zei

Ein Problem hat auch die Poli­zei. In ihrer soge­nann­ten Akade­mie (bis vor eini­gen Jahren hieß sie einfach nur Poli­zei­schule) in Ruhle­ben soll es Ärger mit einem Teil der Schü­ler geben. Manche sollen die deut­sche Spra­che und auch sich selber nur schlecht beherr­schen. Nach Aussa­gen eines Dozen­ten würden Mitschü­ler bedroht, es herr­sche kaum Diszi­plin. Über die 16 und 17 Jahre alten Poli­zei­an­wär­ter sagt ein ande­rer Lehrer: „Das sind keine Kolle­gen, das ist der Feind. Das ist der Feind in unse­ren Reihen.“
Damit spielt er auch auf das Gerücht an, dass unter den Schü­lern Mitglie­der einer krimi­nel­len arabi­schen Groß­fa­mi­lie sein sollen, die die Poli­zei angeb­lich unter­wan­dern. Bisher wurde diese Behaup­tung nicht belegt. Zuge­ge­ben wurde mitt­ler­weile aber, dass auch Bewer­ber ange­nom­men wurden, die zuvor straf­fäl­lig gewor­den sind. Norma­ler­weise ist das – wie auch mangel­hafte Deutsch­kennt­nisse – ein Ausschluss­kri­te­rium für die Ausbil­dung bei der Poli­zei. Ande­rer­seits mache ich schon seit Jahr­zehn­ten die Erfah­rung, dass Berli­ner Poli­zei­be­amte ihren Job gerne mal dazu nutzen, um Bürger zu drang­sa­lie­ren. Inso­fern ist der eigent­li­che Skan­dal eher, dass das alles veröf­fent­licht wird und nicht, dass es über­haupt exis­tiert.

Noch nicht exis­tent sind dage­gen soge­nannte Jet-Skis, mit denen Poli­zei und Feuer­wehr ausge­stat­tet werden sollen. Bisher ist das nur die Idee eines Abge­ord­ne­ten, aber Tatsa­che ist, dass die bisher genutz­ten Boote extrem lang­sam sind. Zur Verfol­gung von Umwelt- oder Tempo­sün­dern auf dem Wasser eignen sie sich kaum. Dage­gen können Jet-Skis bis zu 100 km/h schnell fahren. Da könn­ten einige der Poli­zis­ten dann wieder rich­tig die Sau raus­las­sen.

Zerstö­rung

Das hat auch am vergan­ge­nen Sonn­tag der Herwart getan. Nur wenige Wochen nach dem Sturm Xavier ist er zwar nicht ganz so stark durch die Stadt gerauscht, dafür sind dies­mal mehr Bauge­rüste als Bäume umge­wor­fen worden. Und auch der Zugver­kehr wurde einge­stellt, teil­weise für zwei Tage.

Nicht verant­wort­lich war er jedoch dafür, dass am Montag in einer Schule in Span­dau die Decke einstürzte. Glück­li­cher­weise waren gerade Ferien, als die 300 Quadrat­me­ter das gesamte Foyer der Carlo-Schmidt-Sekun­dar­schule verwüs­tete. Grund soll ein Wasser­scha­den gewe­sen sind. Tatsa­che ist aber auch, dass bereits seit Länge­rem für eine Sanie­rung des Gebäu­des 12 Millio­nen Euro einge­plant waren, der marode Zustand des Gebäu­des also längst bekannt war. Wie es weiter­geht, weiß man noch nicht. Die Schule bleibt nun vermut­lich geschlos­sen. Aller­dings hat die Vertre­tung der rund 1.000 Schüler/innen bereits ange­kün­digt, andern­falls einen Streik zu orga­ni­sie­ren.

Einen noch viel größe­ren Scha­den möchte die Messe Berlin anrich­ten. Ihr Aufsichts­rat hat ange­kün­digt, das ICC abrei­ßen lassen zu wollen. Da alle Alter­na­tiv­ideen wie ein Einkaufs­zen­trum und eine Biblio­thek abge­lehnt worden sind, bleibe nun nichts ande­res mehr übrig, als der Abriss. Außer­dem bräuchte die Messe den Platz.

Kein Platz

An Platz­man­gel leidet auch die Kälte­hilfe. Nach­dem die Innen­stadt­be­zirke unter Leitung der SPD und Grünen ausge­rech­net zum Beginn der kalten Jahres­zeit konse­quent zur Vertrei­bung von Obdach­lo­sen über­ge­gan­gen sind, stellt sich die Frage, wo diese Menschen schla­fen können. Die weni­gen Notüber­nach­tun­gen sind hoff­nungs­los über­las­tet, sie können höchs­tens 10 Prozent der Obdach­lo­sen einen Schlaf­platz bieten.
Würden es die Damen und Herren Giffey, Herr­mann und von Dassel ernst meinen mit ihren Beteue­run­gen, Obdach­lo­sen helfen zu wollen, würden sie sie nicht einfach nur aus ihren Schlaf­plat­zen im Park vertrei­ben, sondern Alter­na­ti­ven zur Verfü­gung stel­len. Statt­des­sen werden die meis­ten Ärms­ten der Gesell­schaft auch in diesem Winter wieder unter irgend­wel­chen Brücken schla­fen und frie­ren müssen. Aber da es meist keine Wähler sind, braucht sich die Poli­tik ja nicht um sie zu kümmern.

Kein Platz ist auch auf dem Flug­ha­fen Tegel. Nämlich für das Groß­flug­zeug Boeing 747–400, das derzeit als Ersatz für die wegge­fal­le­nen Maschi­nen der Air Berlin einge­setzt wird. Da dieses Modell zu groß ist für die Flug­gast­brü­cken, müssen die Passa­giere mit jeweils vier Bussen zum Flug­zeug fahren und dort über Trep­pen in die Maschi­nen gelan­gen. Dort wird aber wiederum die oberste Ebene nicht besetzt. Nicht, weil kein Bedarf wäre, sondern weil das Ein- und Ausstei­gen 10 Minu­ten länger dauern würde. Und dies lässt der enge Zeit­plan nicht zu. Eine typisch Berli­ner Lösung also.

Mehr Platz dage­gen gibt es in der ehema­li­gen Kindl-Braue­rei in Neukölln für das Schwu­len­zen­trum. Das Schwuz feierte dort an seinem neuen Sitz sein 40-jähri­ges Bestehen. In der Schwu­len­szene sind 40-Jährige bereits am oberen Bereich der Tole­ranz­grenze ange­kom­men, darüber hinaus gilt man als Opa und ist nicht mehr gern gese­hen. Außer in irgend­wel­chen Nischen wie „Gay & grey“. Inso­fern feiert das Schwuz derzeit seinen Eintritt in das Szenen­ren­ten­al­ter.

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