Alles Gute zum 30.

Wenn man abends mit dem Taxi am Nollen­dorf­platz steht, kann man zu 50 Prozent sicher sein, dass die nächs­ten Fahr­gäste eher dem eige­nen Geschlecht zuge­neigt sind. Immer­hin ist das hier das schwule Drei­eck und weil Gays offen­bar feier­freu­dig sind, bekommt man hier auch mitten in der Nacht noch rela­tiv schnell eine Tour.
Der Funk­auf­trag gegen 2.00 Uhr war dann auch eindeu­tig: Eine bekannte Bar, die vor allem von Leder­schwu­len besucht wird, düster, mit Dark­room, tota­les Klischee. Norma­ler­weise stehen dort nachts immer Taxis direkt vor dem Eingang, aber wenn sie schon eins bestel­len, wird’s sicher seinen Grund haben.

Diese Bar ist nicht ganz öffent­lich, man muss erst­mal klin­geln, um einge­las­sen zu werden. Der Summer ging und ich stand im dunk­len Schank­raum, mehrere Augen­paare muster­ten mich beim Rein­kom­men. “Moin Chef, Taxi!” sagte ich zum Wirt und der rief nach hinten: “Gertrud, dein Chauf­feur ist da!”. Nun kommt es in der Schwu­len­szene öfter vor, dass sich die Männer Frau­en­na­men geben, aber “Gertrud”? Umso erstaun­ter war ich, als statt­des­sen zwei wahr­haf­tige Frauen anka­men, etwas wankend, aber nicht völlig betrun­ken. Sie hatte sich offen­bar abge­spro­chen, dass sie mir ihren Wunsch ins Ohr flüs­tern woll­ten, aber nicht, wer von beiden das tun soll. So stand ich plötz­lich da und in beide Ohren wurde mir irgend­was Unver­ständ­li­ches genu­schelt. Ich verstand, dass ich sie nach Hause fahren sollte, aber ihr Auto müsste mitkom­men. Da ich nur ein norma­les Taxi fahre, in dem ein weite­res Auto auch beim besten Willen keinen Platz fände, zeig­ten sie mir “das Dilemma”, wie sie sagten: Sie stan­den mit ihrem Klein­wa­gen in einer Einfahrt und hatten Angst, dass er in der Nacht abge­schleppt werden könnte. Aber sie waren auch zu betrun­ken, um selber damit zu fahren. Wie abge­spro­chen fuhr ein Haus weiter gerade ein Auto aus der Park­lü­cke, und ich scheuchte die beiden Damen da rein: “Halten sie den Platz frei und geben mir Ihre Schlüs­sel, dann fahre ich Ihr Auto hier rein.” Sie kreisch­ten vor Freude und reich­ten mir beide je einen Schlüs­sel. Anschei­nend machen sie alles gemein­sam, aber ich sagte, dass mir ein Schlüs­sel reicht.

Nach­dem ich ihren Corsa sicher einge­parkt hatte, mach­ten wir uns gemein­sam auf den Weg nach Char­lot­ten­burg. Ich habe zwar nicht verstan­den, wieso ich zum Oliv­aer Platz über die Kant­straße fahren sollte, aber mir sollte es recht sein. Auf dem Weg erfuhr ich die halbe Lebens­ge­schichte der beiden Ladys. Sie waren extrem gesprä­chig und woll­ten auch stän­dig von mir etwas wissen. Zwischen­durch neck­ten sie sich gegen­sei­tig, dann küss­ten sie sich und dazwi­schen immer wieder ein Lob, was ich doch für ein netter Taxi­fah­rer wäre.
Bei der Einfahrt in ihre Straße sagte mir die Jüngere, dass sie heute 30 Jahre alt gewor­den ist und dass sie das gefei­ert haben. Weil wir gerade auf ein Tempo-30-Schild zu fuhren, meine ich, dass deshalb auch extra dieses Schild aufge­stellt wurde. Das hätte ich nicht tun sollen, denn plötz­lich fielen mir beide von hinten um den Hals, “lassen Sie sich knud­deln!!!” Zum Abschluss wurde ich noch darüber aufge­klärt, dass mich beide unver­züg­lich heira­ten würden, wenn sie nicht schon mitein­an­der verhei­ra­tet wären. Tja, da hab ich wohl Pech gehabt.

print

Zufallstreffer

Berlin

Berlinern

Mein Vater kam als Kind aus Hessen nach Berlin, als das Groß­deut­sche Reich gerade in Trüm­mer fiel. Und obwohl er mehrere Jahr­zehnte hier lebte, wurde er nie ein rich­ti­ger Berli­ner. Also einer, der gerne hier […]

Berlin

Eltern gegen Rechts

“Als vor sechs Jahren mein älte­rer Sohn begann, sich das eine oder andere Klei­dungs­stück zu beschaf­fen, das in der rech­ten Szene ange­sagt war, beru­higte ich mich damit, dass so etwas eben jetzt ‘in’ ist. Selbst […]

3 Kommentare

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*