Lichtverschmutzung

Erst gestern habe ich was über Menschen geschrie­ben, die Klischees bedie­nen. Und prompt passierte gestern wieder was. Vorn am Ostbahn­hof, da wo die erste Nach­rü­cke der Taxi­halte beginnt, ist es abends rich­tig dunkel, vor allem wenn wie gestern auch noch Mond­fins­ter­nis ist. Keine Laterne beleuch­tet die ohne eigene Lampe vorbei fahren­den Fahr­rä­der. Zwei dieser Exem­plare kamen genau in dem Moment, als der Kollege vor mir Fahr­gäste gela­den hatte und raus­fah­ren wollte. Ich weiß nicht, ob er vorher in den Rück­spie­gel gese­hen hat, aber wahr­schein­lich ist es schon, allein weil hier auch viele Busse durch­fah­ren — und die sind stär­ker als Taxis.
Jeden­falls sah er die unbe­leuch­te­ten Radfah­rer noch, viel­leicht weil sie laut aufschrien, als er gerade ausscherte. Wären sie nicht nach links in die Fahr­bahn­mitte ausge­wi­chen, hätte es wohl einen Unfall gege­ben.
Sie ergrif­fen sofort die Initia­tive, einer stellte sich vor das Auto, während der andere an die Fahrer­tür trat. In schöns­tem Hippie-Deutsch redete er ihm ins Gewis­sen: “Ey, das fand ich eben nicht gut von dir. Warum hast du das denn gemacht? Du hättest uns doch verlet­zen können.”
Der Kollege reagierte aggres­siv und schrie ihn an, dass er gefäl­ligst mit Licht fahren soll. Das war heftigste Berli­ner Schnauze, in der all der Frust steckte, den der so sehr gestresste Taxi­fah­rer mit den Radlern hatte. Jetzt kam alles auf einmal raus, er brüllte weitere Beschimp­fun­gen, zumal der zweite Radfah­rer noch immer vor seinem Taxi stand und ihn am Weiter­fah­ren hinderte. Der Hippie war sicher sein idea­les Feind­bild. Der ging auch gar nicht auf den krakel­en­den Kolle­gen ein, sondern hielt mit ruhi­gen Worten dage­gen. Das mit dem Licht müsste er doch verste­hen, das wäre umwelt­schäd­lich, wegen der Licht­ver­schmut­zung. Und solange man kaputte Glüh­bir­nen nicht sauber tren­nen könnte, man Dyna­mos nicht recy­celt und Akkus nicht rich­tig entsorgt werden könn­ten, würde er auch nicht mit Licht fahren.
Das alles erzählte er mit einer inne­ren Ruhe, wie sie wohl nur Buddhis­ten und Kiffer ausstrah­len. Ich stand während­des­sen neben meinem Wagen und freute mich über dieses Schau­spiel.

Schließ­lich setz­ten sich die beiden auf ihre Räder und fuhren weiter. Der Kollege versuchte seine Nieder­lage noch mit einem Kava­lier­start zu kompen­sie­ren und schrammte dabei nur knapp an einem gepark­ten Poli­zei­auto vorbei. Das wäre dann wohl der krönende Abschluss seines eh schon miss­glück­ten Abends gewe­sen.
Mir taten aller­dings seine Fahr­gäste leid, die das alles haut­nah miter­le­ben muss­ten.

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Der Moabi­ter Werder bezeich­net das Gebiet nörd­lich der Spree, wenn sie am Haupt­bahn­hof vorbei ist. Er beginnt an der Molt­ke­brü­cke und geht bis gegen­über des Schlos­ses Belle­vue. Im Westen wird er begrenzt durch die Paul­straße, […]

3 Kommentare

  1. Na ja, hätte der Kollege die Jungs nicht doch noch gese­hen, hätte die Nieder­lage (im wahrs­ten Sinne des Wortes) anders­rum statt­ge­fun­den.
    Was bin ich froh, dass zur Zeit meine Arbeits­zeit sich nicht mit Dunkel­heit über­schnei­det.

  2. Da ist es ja ein Riesen­glück, daß der Kollege die beiden Radfah­rer nicht totge­fah­ren hat! Man über­lege sich doch mal, was deren Entsor­gung für Umwelt­pro­bleme mit sich gebracht hätte. Wenn die beiden z.B. mit Rausch­mit­teln konta­mi­niert waren, hätten sie als Sonder­müll gelten können.

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