Erinnerung an ein Verhörzentrum

Nach der Befrei­ung vom Faschis­mus rich­tete die sowje­ti­sche Besat­zungs­macht in ganz Ostdeutsch­land Lager ein, in denen Kriegs­ver­bre­cher inter­niert wurden. Doch nicht nur Solda­ten und führende Nazis wurden verhaf­tet, sondern auch andere poli­tisch Miss­lie­bige. Chris­ten, Sozi­al­de­mo­kra­ten und nicht-stali­nis­ti­sche Kommu­nis­ten kamen zu Tausen­den in die großen Lager, die vorher von den Nazis als KZs errich­tet wurden, vor allem nach Buchen­wald und Sach­sen­hau­sen. Dane­ben gab es auch viele klei­nere Lager und Verhör­zen­tren, u.a. in den Gebäu­den des Bezirks­amts Prenz­lauer Berg in der Fröbel­straße, gleich an der Prenz­lauer Allee.

In den Keller­räu­men von Haus 3 hatte der russi­sche Geheim­dienst NKWD 40 Zellen einge­rich­tet, in denen hunderte oder tausende oft unschul­dige Menschen einge­sperrt wurden. Die meis­ten wurden dort gefol­tert, viele star­ben. Von 1950 bis 1985 befand sich dort die Bezirks­ver­wal­tung der Staats­si­cher­heit, die die Zellen noch bis 1956 nutzte.

In der Regel handelte es sich bei den Inhaf­tier­ten in der Fröbel­straße nicht, wie von der Staats­füh­rung behaup­tet, um NS-Täter, sondern um Menschen, die dem SED-Regime oppo­si­tio­nell gegen­über stan­den. Der als beson­ders gewalt­tä­tig berüch­tigte Bruno Beater, Chef der Abtei­lung der Stasi-Haupt­ab­tei­lung V zur Bekämp­fung der angeb­li­chen Staats­feinde, machte hier Karriere. Er stieg bis zum Stell­ver­tre­ter des Stasi-Chefs Erich Mielke auf.
In diesem Verhör­zen­trum gab es auch soge­nannte “Steh­zel­len”, in denen die Häft­linge an Hand­schel­len gefes­selt wurden, die weit oben in der Wand einge­mau­ert waren. So muss­ten sie teil­weise mehrere Tage ohne Pause stehen.
Nach 1956 diente der Komplex noch fast 30 Jahre lang der Staats­si­cher­heit. Hier wurden Zerstet­zungs­maß­nah­men und sogar Anschläge gegen Oppo­si­tio­nelle geplant.

Die Künst­le­rin Karla Sachse hat zur Erin­ne­rung an diese dunkle Zeit ein unge­wöhn­li­ches Denk­mal geschaf­fen: Ein schwar­zes Band aus Acryl zieht sich um das Haus, direkt über den zuge­mau­er­ten Keller­fens­tern hinweg. In dieses Band sind 60 Fragen einge­las­sen, die der Künst­le­rin bei der Beschäf­ti­gung mit der Geschichte dieses Ortes gekom­men sind: “Wieviel Schwei­gen ertrug das Ohr?”, “Wann wein­ten die Männer?”. Karla Sachse hatte Gele­gen­heit, Verhör­pro­to­kolle aus diesem Gebäude zu lesen und schrieb ihre Gedan­ken und Fragen auf.

Ehema­lige Funk­tio­näre der SED und Ange­hö­rige der Stasi haben protes­tiert, dass der Senat dieses Denk­zei­chen mit 45.000 Euro unter­stützt. Sie sehen die Aktion als “poli­ti­sche Provo­ka­tion”.

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