Gute Nacht

Meis­tens bin ich ja ein höfli­cher Mensch, auch wenn ich die Herkunft dieses Wortes (von Hofe) blöd finde. Meinen Fahr­gäs­ten im Taxi gewähre ich grund­sätz­lich einen Höflich­keits­vor­schuss und nur selten bedaure ich das im Laufe der Fahrt. Manch­mal werde ich unter­kühlt formal-freund­lich, aber auch dies ist nur eine Ausnahme.
Es gibt aber Fahr­gäste, die schät­zen Höflich­keit offen­bar nicht. Oder nicht von Männern. Oder von Taxi­fah­rern. Oder gene­rell von Ange­hö­ri­gen vermeind­lich niede­rer Schich­ten. Solch eine Dame fuhr ich letzte Nacht vom Kudamm nach Grune­wald. Viel­leicht 70 Jahre alt, um eini­ges schwe­rer als ich und mit Hutna­del in ihrer elegan­ten Kopf­be­de­ckung.
Ihre Pelz­stola mit dem Fuchs­kopf wies sie als typi­sche Wilmers­dor­fer Witwe aus. Aber egal, auch die wollen nach einem netten Abend mit Gleich­ge­sinn­ten ins heimi­sche Bett. Meine beiden Konver­sa­ti­ons­ver­su­che igno­rierte sie, viel­leicht war ihr ja der Eier­li­kör nicht bekom­men.

Nach dem Bezah­len verab­schiede ich meine Kunden meist mit “Schö­nen Abend noch”, später mit “Gute Nacht”. So auch die Pelz­trä­ge­rin. Sie wollte gerade ausstei­gen, setzte sich dann aber noch­mal ins Auto zurück: “Was haben Sie eben gesagt?” — “Ich habe Ihnen eine gute Nacht gewünscht.”
Ich konnte sehen, wie sich in ihr ein Vulkan­aus­bruch anbahnte. Dann schrie sie los, was mir eigent­lich einfal­len würde, sie so vertrau­ens­se­lig anzu­ma­chen. Sie wäre doch kein billi­ges Flitt­chen aus Kreuz­berg und über­haupt hätten sich die Taxi­fah­rer früher so etwas nicht erlaubt. Ich war etwas verdutzt, solche eine Reak­tion hatte ich nicht erwar­tet. Gleich­zei­tig war es wie ein merk­wür­di­ger, lächer­li­cher Film. Mir fiel nichts besse­res ein, als zu antwor­ten “Ja, ja, früher war alles besser.”
“Jetzt werden Sie nicht noch pampig, Sie Clochard!” Sprachs, stieg aus und schmiss die Tür hinter sich zu.

Sie hatte mich Clochard genannt, gemeint hat sie wohl “Penner”. Dabei sehe ich den Begriff Clochard gar nicht nega­tiv, aus irgend einem Grund ist er für mich posi­tiv besetzt, strahlt eine gewisse Würde aus. Daher habe ich das auch nicht als Belei­di­gung aufge­fasst, obwohl es natür­lich so gemeint war. Trotz­dem hat es mich schon verwun­dert, wieso ein Mensch bei einer Höflickeits­flos­kel derma­ßen ausras­tet.

Das genaue Gegen­teil dann zwei Stun­den später: Nach­dem ich die Wirtin eines Restau­rants in der City West nach Hause gefah­ren habe, über­reichte sie mir noch ein schwe­res, in Alufo­lie einge­pack­tes Päck­chen: “Ich hoffe, Sie mögen Gans.” Nette Geste. Auch sie bekam von mir ein “Gute Nacht” — und zwar sehr ernst gemeint.

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6 Kommentare

  1. omglol!
    Ich glaube, der “Dame” hätte ich reflex­ar­tig ins Gesicht gelacht, auch wenn das “unhöf­lich” ange­kom­men wäre.
    *kopschüt­tel*

  2. Mag sie nun 70 Jahre alt sein oder nicht, Fakt sind ihre Ansich­ten aus dem 19. Jahr­hun­dert. Aber… Mein Gott, auch sie ist ein Geschöpf unse­rer Hemi­sphäre und hat Tole­ranz verdient. Wer sonst könnte die Entwick­lungs­sta­dien mensch­li­cher Gesell­schaft besser verkör­pern als gerade diese Exoten?!

  3. Unfass­bar! Ich weiß nich was ich gemacht hätte. Entwe­der zurück­be­lei­digt oder eine Entschul­di­gung gefor­dert. In der Regel, nicht immer, findet man in diesen gesell­schaft­li­chen Schich­ten billige Schma­rot­zer, die nicht von eige­ner Arbeit leben.

  4. Wie du ja schon selbst schreibt: Sie wollte keine Kommu­ni­ka­tion. Und das hat dann ihr Faß zum Über­lau­fen gebracht ;)

    Ich hätte Sie viel­leicht freund­lich ange­lä­chelt und um Entschul­di­gung gebe­ten, wenn Sie das als Anma­che auffas­sen würde. Und viel­leicht noch gefragt, was ihrer Meinung nach ein höfli­ches Verab­schie­den gewe­sen wäre.

    Wobei man meist erst so eine (ähnli­che) Situa­tion erlebt haben muß, um ange­mes­sen reagie­ren zu können. Letzt­lich muß man halt immer drüber­ste­hen.

  5. Bei Clochard muss ich immer an Janosch’s Geschichte “Das kleine Schiff” denken… irgend­wie hat das bei mir damals auch die innere Über­zeu­gung, dass die Bezeich­nung Clochard mehr Liebe zur Frei­heit und zum Mensch­sein an sich ausdrückt als der Penner… irgend­wie schon selt­sam.

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