Schwulenfeindliches Drogen-Sommerloch

Das bereits ange­spro­chene Sommer­loch nutzen manche Dritt­hin­ter­bänk­ler unter den Parla­men­ta­ri­ern nicht nur, um kruse Ideen zu verbrei­ten. Einige Poli­ti­ker packen in diese Zeit auch unpo­pu­läre Entschei­dun­gen, da die poten­zi­elle Protest­masse gerin­ger ist als außer­halb der Urlaubs­zeit.
Dazu gehört die Entschei­dung des Finanz­se­na­tors Thilo Sarra­zin, der mit dem Golf­club Wann­see einen Erbpacht­ver­trag über 99 Jahre abge­schlos­sen hat. Obwohl er genau wusste, dass die Abge­ord­ne­ten gegen diesen Vertrag sind, nutzte er die Feri­en­zeit aus und unter­schrieb den Vertrag. SPD und Links­par­tei hatten zwar bereits beschlos­sen, das Grund­stück nicht für 3,6 Millio­nen Euro zu verkau­fen, weil ihnen das zu nied­rig erschien, zumal es an einige der reichs­ten Bürger Berlins geht. Statt­des­sen hat Sarra­zin den Vertrag sogar nur für 3 Millio­nen Euro geschlos­sen, was gerade mal 2500 EUR pro Monat entspricht.

Geschenke an die Reichen müssen aber auch finan­ziert werden, z.B. durch weni­ger Kosten bei den Kinder­ta­ge­stät­ten. Das bisher erfolg­reichste Volks­be­geh­ren Berlins verlangte die Einstel­lung von 2400 zusätz­li­chen pädago­gi­schen Fach­kräfte. Doch der Senat gab schon mal bekannt, dass man die daraus resul­tie­ren­den Mehr­kos­ten nicht aufbrin­gen könne und das auch verfas­sungs­wid­rig wäre. Daraus leitet er die Unzu­läs­sig­keit des ganzen Volks­be­geh­rens ab, weil es die “Budget­ho­heit des Parla­ments” darstelle. Das hört sich ziem­lich holp­rig an und wird mit Sicher­heit vor dem Landes­ver­fas­sungs­ge­richt landen.

Unbe­liebt ist im Senat auch die Gestal­tung des Alex­an­der­plat­zes und seiner Umge­bung. Schon knapp ein Jahr nach Eröff­nung des Einkaufs­cen­trums äußerte sich der Regie­rende Bürger­meis­ter, dass ihm die Farbe des Komple­xes nicht gefällt. Das ist nicht unbe­dingt eine Meldung wert, merk­wür­dig ist nur, dass die Äuße­rung so spät kommt, zumal sein Amts­sitz keine 500 Meter entfernt liegt. Mittes Baustadt­rat Joachim Zeller zeigte sich denn auch verwun­dert und verwies darauf, dass es sich zum einen um eine reine Geschmacks­frage handele, außer­dem könne auch Klaus Wowe­reit die Unter­la­gen recht­zei­tig im Bezirks­rat­haus einse­hen.
Jeden­falls folgt nun daraus, dass der Senat künf­tig auch auf die Gestal­tung der Fassa­den von Neubau­ten Einfluss nehmen möchte. Ob das auch bedeu­tet, dass nun der typi­sche Mitte-Stil verän­dert und die Hälfte der Neubau­ten in der Fried­rich­straße und Unter den Linden wieder abge­ris­sen wird? Schade wäre es jeden­falls nicht drum.

Anders als um den Bären­zwin­ger im Köll­ni­schen Park. Hier feierte die Stadt gerade das 69-jährige Bestehen, was den Tier­schutz­be­auf­trag­ten dazu bewog, die Schlie­ßung der Anlage zu fordern. Angeb­lich ist er zu klein für eine artge­rechte Haltung. Das stimmt zwar nicht im Vergleich zu den Zoos, aber natür­lich braucht ein großes Tier wie ein Bär wesent­lich mehr Auslauf. Daher sollte man die gene­relle Öffnung des Zwin­gers in Betracht ziehen und statt­des­sen den gesam­ten Park zur Verfü­gung stel­len. Das wäre für die Bären dann sicher ange­neh­mer, als die jetzige Doppel­zelle.

Ange­neh­mer arbei­ten sollen künf­tig auch die BVG-Ange­stell­ten, jeden­falls die in den Büros. Vom Kleist­park zieht der Betrieb gerade in das soge­nannte Trias-Gebäude an der Holz­markt­straße. Zwar gibt es hier keinen U‑Bahn-Anschluss mehr, dafür hellere Büros und mehr Platz.
Den braucht auch die private Sprach­schule GLS, die zurzeit in der Kasta­ni­en­al­lee im Prenz­lauer Berg sitzt. Sie möchte gerne das alte Stadt­bad Oder­ber­ger Straße kaufen, gleich um die Ecke. Das hundert Jahre alte Gebäude ist schon seit 1986 außer Betrieb und wurde nur ab und zu für klei­nere Veran­stal­tun­gen aus dem Dorn­rös­chen­schlaf geholt. Zwar wollte eine Anwoh­ner­initia­tive das Bad in eige­ner Regie wieder reani­mie­ren, sie schei­terte jedoch am Geld. Das hat die Sprach­schule angeb­lich zur Verfü­gung, bis zu 20 Millio­nen kann sie nach eige­nen Anga­ben inves­tie­ren. Der Bezirk ist jedoch nicht begeis­tert, denn die Öffent­lich­keit könnte das Bad dann nur an zwei oder drei Tagen in der Woche nutzen. Da lässt man es doch lieber weiter vergam­meln.

Dafür werden vor allem in der City weiter­hin flei­ßig Hotels gebaut. Auf dem Grund­stück des alten Fried­richs­adt­pa­las­tes auf dem Bertolt-Brecht-Platz entsteht ein beson­ders großes und schi­ckes Exem­plar, der glei­che Inves­tor baut auch schon eines an der Otto-Braun-Straße. Insge­samt sind zurzeit zehn Neubau­ten geplant oder bereits in der Bauvor­be­rei­tung. Dabei sinkt die Zahl der Über­nach­tun­gen seit letz­tem Jahr, die Auslas­tung der Hotels ist auf 50% gesun­ken.

Auf null Prozent sank sie in den etwa 150 Lotto­lä­den, die in den vergan­ge­nen Mona­ten schlie­ßen muss­ten. Weil seit Januar das neue Glücks­spiel­ge­setz in Kraft ist, sollte die Zahl der Annah­me­stel­len redu­ziert werden, damit will der Senat der Spiel­sucht entge­gen­wir­ken. Merk­wür­dig nur, dass in der Zwischen­zeit die Zahl der Spie­lo­the­ken auf mitt­ler­weile 947 erhöht worden ist, und wöchent­lich werden weitere dieser Einrich­tun­gen geneh­migt und eröff­net. Drei größere Auto­ma­ten­ka­si­nos stehen kurz vor der Eröff­nung. Doch der Senat lehnt jede Stel­lung­nahme dazu ab, weshalb er kleine Lotto­lä­den schließt, neue Spiel­hal­len jedoch erlaubt, obwohl dort die Sucht­ge­fahr wesent­lich größer ist.

Nicht um Spiel­sucht geht es bei der Droge Tilidin, sondern um eine ganz hand­feste. Das rezept­pflich­tige Schmerz­mit­tel hat sich beson­ders in jugend­li­chen Türken- und Araber­krei­sen etabliert. Es wird vor allem über gefälschte Rezepte erwor­ben, im vergan­ge­nen Jahr mindes­tens 2100 mal, Exper­ten rech­nen jedoch mit der zehn­fa­chen Zahl. Mitt­ler­weile soll der Nach­schub aber über Osteu­ropa in großen Mengen kommen und unab­hän­gig von Apothe­ken verdealt werden. Justiz­se­na­to­rin Gisela von der Aue hat der Droge deshalb nun den Kampf ange­sagt. Wie das konkret ausse­hen sollte, ist unklar, zumal Tilidin-haltige Medi­ka­mente nicht ille­gal sind und auch nicht einfach verbo­ten werden können. Deshalb soll es nun erst­mal einen Runden Tisch geben, even­tu­ell im kommen­den Jahr auch eine Bundes­rats­in­itia­tive.
Tilidin macht für kurze Zeit unbe­schwert, schmerz­un­em­pf­lind­lich und baut Hemmun­gen zur Gewalt­an­wen­dung ab, die Poli­zei geht davon aus, dass es bei zahl­rei­chen Angrif­fen udn Über­fäl­len mit eine Rolle spielt.

Viel­leicht auch bei den derzeit zuneh­men­den schwu­len­feind­li­chen Atta­cken. Eine Gruppe junger Männer rand­lierte am Frei­tag­abend im Lokal White Trash in der Schön­hau­ser Allee, sie rief schwu­len­feind­li­che Paro­len, griff die Bedie­nung an und verletzte den Wirt. Danach konn­ten sie entkom­men.
Auch im Tier­gar­ten konnte eine Gruppe Angrei­fer inner­halb von zwei Stun­den eine ganze Reihe Schwule zusam­men­schla­gen, die sich dort nachts zwischen dem Neuen See und der Sieges­säule aufhiel­ten. Zwei Männer wurden schwer verletzt, die Angrei­fer flüch­te­ten. Mögli­cher­weise sind es die glei­chen Täter, die das Mahn­mal für in der NS-Zeit verfolgte Homo­se­xu­elle beschä­dig­ten, das am östli­chen Rand des Tier­gar­tens steht. Hier wurde der Bild­schirm einge­wor­fen.

Im Tier­gar­ten war es auch, wo 1919 die Leichen von Rosa Luxem­burg und Karl Lieb­knecht in die Spree gewor­fen wurden. Beide waren zuvor von Einhei­ten rechts­extre­mer Frei­korps­ein­hei­ten ermor­det worden. Dass dies “poli­tisch gebo­ten” und von der deut­schen Geschichte “förder­lich legi­ti­miert” gewe­sen sei, sagte der NDP-Abge­ord­nete Jörg Hähnel in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung Lich­ten­berg. Hähnel, der gleich­zei­tig Landes­vor­sit­zen­der ist sowie im NPD-Bundes­vor­stand sitzt, muss sich wegen dieser Äuße­rung am 10. Septem­ber vor Gericht verant­wor­ten.

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