Schon in den ersten Jahr­zehn­ten ihres Bestehens hatte die spätere Acker­straße einen recht nega­ti­ven Ruf. Die Menschen, die hier lebten oder verkehr­ten, waren oft gesell­schaft­lich nicht sehr ange­se­hen. Viele waren auch einfach nur “anders”, vor allem im nega­ti­ven Sinn. Bis heute gilt der Kiez um die südli­che Acker­straße z.B. als Vergnü­gungs­vier­tel. Und als ob Vergnü­gen etwas Schlech­tes ist, hat dieses Wort meist einen anrü­chi­gen Beigeschmack.
Die Gründe für den nega­ti­ven Ruf der Straße am Anfang des 19. Jahr­hun­derts begrün­dete auf ihre Entste­hung und auf die Einrich­tun­gen, die es in ihrer Umge­bung gab: Zum Beispiel, dass es dort zuvor nur Sand­wüste gab, zudem wurden darauf dann auch noch Fremde ange­sie­delt. Die Galgen­an­lage, das Hoch­ge­richt, befan­den sich in dieser Gegend. In der nähe­ren Umge­bung gab es mehrere mili­tä­ri­sche Einrich­tun­gen, außer­dem das Inva­li­den­haus. Und in der Straße ließen sich auch damals schon billige Vergnü­gungs­ein­rich­tun­gen nieder. Natür­lich war auch die bis um 1800 fehlende poli­zei­li­che Kontrolle für viele Bürger Berlins abschre­ckend, schon damals entstand der krimi­nelle Ruf der Straße. Zudem fehlte wich­tige Infra­struk­tur wie Stra­ßen­be­leuch­tung, Pflas­te­rung und Entwäs­se­rung. Die Ansamm­lung von Armen aufgrund der billi­gen Mieten und Möglich­kei­ten zur Gele­gen­heits­ar­beit taten ihr übri­ges, genau wie die fehlende Orien­tie­rung, da die Stra­ßen dieser Gegend bis 1801 noch keinen Namen hatten.
Wie sehr dieses nega­tive Urteil über das Vogt­land spezi­ell den klein­bür­ger­li­chen Anteil unter seinen Einwoh­nern und denen Berlins beun­ru­hig­ten, geht aus der Geschichte der Namens­ge­bung für die Stra­ßen und der Umbe­nen­nung des Gebie­tes hervor. Auf die Anzeige des Land­rats Pann­witz hin wurde im Jahr 1800 das 19. Poli­zei­re­vier mit dem Commis­sa­rius Ebell als einzi­gem Beam­ten einge­rich­tet. In mehre­ren Einga­ben forderte Ebell vom Poli­zei­prä­si­dium vergeb­lich einen zusätz­li­chen Helfer zur Unter­stüt­zung an, was aber aus finan­zi­el­len Grün­den nicht bewil­ligt wurde, obwohl er sein Gesuch auf Verstär­kung einleuch­tend begrün­dete: “Die Hand­werks­bur­schen und Tage­löh­ner, die zügel­los sonn­abends, sonn­tags und montags ihr Fass feiern, sind zu stark für mich.”
Das Kommis­sa­riat 19 wurde nicht verstärkt, es fanden sich jedoch einige “beherzte”, im Vogt­land wohnende Bürger, die Ebell auf seinen Rund­gän­gen beglei­te­ten. Dies waren der Mühl­meis­ter Kampe, der Gast­wirt Katze, der Stall­ar­bei­ter Braun, der Gast­wirt Kalisch und der Weber Bertig. Ebell, der nicht mehr auf diese Hilfe verzich­ten wollte, wandte sich am 8. August 1800 erneut an das Präsi­dium. Er schlug vor, diese Bürger förm­lich auszu­zeich­nen, denn “die fins­tern Nächte des Winters nahen heran, wo ich einzig und allein nicht im Stande bin, was würken zu können. Ruhe und Ordnung werde ich hier­durch erhal­ten können, und der schöne Plan wird hier­durch in Werk gesetzt, daß die im üblen Ruf stehende Vorstadt der könig­li­chen Resi­denz nicht gefähr­lich wird.” Am 28. Dezem­ber 1800 machte der gute Mann einen Vorschlag, dem mehr Erfolg beschie­den war. Er regte nämlich eine Benen­nung der Stra­ßen an sowie die Umbe­nen­nung des Vogt­lands, mit der er vor allem den hier ansäs­si­gen Bürgern gefäl­lig sein wollte:
“Gehor­samste Anzeige!
Einem könig­li­chen Poli­zei­di­rec­to­rio bitte ich ganz gehor­samst im Namen sämt­li­cher Bürger und Eigen­tü­mer der Vorstadt, daß da die Häuser gleich der Resi­denz mit Nummern sollen verse­hen und die Stra­ßen Namen bekom­men, auch der allge­mein verhaßte Name Vogt­land möchte abge­nom­men werden.
Im Jahre 1757 sind den Natio­nal-Voigt­län­dern Etablis­se­ments hier ange­baut, sie aber fast ausge­stor­ben und nunmehr mit den städ­ti­schen Bürgern, die teils sich hier einge­kauft und erbaut haben, besetzt worden. Es hegt alles den feuri­gen Wunsch, den verhaß­ten Namen Voigt­land zu verlie­ren: denn es ist denen Gewer­be­trei­ben­den sehr zum Nach­teile, sobald sie den Namen Voigt­land nennen. Für denen jeni­gen, so Kapi­ta­lien sucht, macht es einen großen Anstoß, denn die Credi­to­res sind gleich abge­neigt, sobald sie diesen Namen hören; und hier­durch werden also wirk­lich ganze Fami­lien außer Stand gesetzt.
Es wäre meines unvor­greif­li­chen Vorschlags, und unter­tä­ni­gen Bitte wohl gut, wenn diese Vorstadt bei jetzi­ger Gele­gen­heit, den Namen Berli­ner Vorstadt erhielt: Es gibt einen gewis­sen Anstrich, wodurch das ganze hier gewin­net.
Die Stra­ßen würden also meines unvor­greif­li­chen Vorschlags und nach dem geneig­ten Willen der König­li­chen Hoch­löb­li­chen Poli­zei­di­rec­to­rio folgende Namen erhal­ten:
1. die Brun­nen­straße — fürm Rosen­tha­ler Tor, jetzt 1ste und neue Reihe
2. die Acker­straße — jetzt 2te und 3te Reihe
3. die Berg­straße — jetzt 4te Reihe
4. die Garten­straße — fürm Hambur­ger Tor
5. die Chaus­see­straße — fürm Orani­en­bur­ger Tor
6. die Inva­li­den­straße — Inva­li­den­haus bis an die Wind­mühle des Fili­cke
7. Straße an der Mauer — Berli­ner Vorstadt”

Die ersten sechs Vorschläge wurden ange­nom­men, da sie den örtli­chen Loka­li­tä­ten entspra­chen. Sein Vorschlag zur Umbe­nen­nung in “Berli­ner Vorstadt” jedoch wurde abge­lehnt, da diese Bezeich­nung zu Miss­ver­ständ­nis­sen führen könnte. Kurz darauf wurde aber die offi­zi­elle Bezeich­nung “Rosen­tha­ler Vorstadt” einge­führt, der sich, wie schon das Rosen­tha­ler Tor, an dem Ort Rosen­thal bei Pankow orien­tiert. Der Name Vogt­land erhielt sich jedoch als Synonym für das Armen­vier­tel Berlins im Volks­mund und in der Lite­ra­tur.

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