Kein Benehmen

Jeder Berli­ner Taxi­fah­rer kennt diese Edel-Bar am Gendar­men­markt. In der Nacht wartet oft eine lange Schlange von Kolle­gen dort, um einen Gast abzu­grei­fen. In den Sommer­mo­na­ten stehen die Besu­cher manch­mal bis auf die Straße, weil der Bürger­steig nicht ausreicht.

Mein Fahr­gast, der mich am Pots­da­mer Platz winkte, kam gerade von einem Empfang und wollte zu “norma­len Menschen”. Bei dem Empfang wären nur Spie­ßer gewe­sen. Bei der Bar ange­kom­men suchte er nach Klein­geld, um die vier Euro zahlen zu können, aber ein 50-Euro-Schein war das kleinste, das er fand. “Kein Problem, drin­nen können sie sicher wech­seln”. Diese kühne Behaup­tung stellte ich auf, weil ich noch nie da drin war.

Am Empfang stand ein 2‑Me­ter-Mann mit 1 Meter brei­ten Schul­tern und 1 Milli­me­ter kurzen Haaren. Er hätte leicht als Body­guard des US-Präsi­den­ten durch­ge­hen können. Mit demons­tra­tiv abschät­zi­gem Blick musterte er mich, gab dann aber doch den Weg frei. Gleich zwei Damen in den haus­ei­ge­nen Kostü­men gingen auf meinen Fahr­gast zu, um ihm den Mantel abzu­neh­men, wobei sie irgend­wel­che Schlei­me­reien säusel­ten. Direkt dane­ben an der Kasse stand einer der Kell­ner, den er freund­lich begrüßte. Man kennt sich.

Die dunk­len Haare des Kell­ners enthiel­ten etwa die fünf­fa­che Menge wie die von Gutten­berg. In sein Gescht einge­mei­ßelt sah ich ein Denk­mal der Arro­ganz. Obwohl er noch klei­ner war als ich versuchte er, auf mich herab zu schauen. Als mein Fahr­gast ihm den 50er reichte, damit er ihn für die Fahrt wech­selt, meine der Gegelte in meine Rich­tung: “Wir sind hier doch keine Bank!” Erst als mein (und sein!) Kunde ihn bekniete, kramte er etwa 20 Sekun­den in seiner Kasse herum, bis er den Schein endlich wech­selte.
Die beiden aufge­ta­kel­ten Garde­ro­ben­frauen stan­den direkt hinter mir, eine sagte zu ande­ren: “50 Euro, soviel hat er bestimmt noch nie in der Hand gehabt”, worauf die andere blöd kicherte. Ich drehte mich um und antwor­tete ohne nach­zu­den­ken: “Dafür bin ich nicht so Scheiße im Kopf!” Es war herr­lich, das bemüht empörte Gesicht der einen zu sehen.

Mein Fahr­gast tippte mich an und gab mir einen Zehner: “Vielen Dank für Ihre Geduld und entschul­di­gen die Unan­nehm­lich­kei­ten.” Aber so unan­ge­nehm war es gar nicht. Neben 150 Prozent Trink­geld habe ich heute Nacht immer­hin wieder was gelernt. Zum Beispiel, dass viele der Vorur­teile, die ich in Bezug auf solche Bars habe, berech­tigt sind. Und auch, dass ich niemals mehr jeman­den diesen Laden empfeh­len werde, wenn er mich fragt, wo er noch schick was trin­ken gehen kann. Falls Alex, Ron, Jimmy und Sandra ihn dann nicht schon über­nom­men haben.

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6 Kommentare

  1. Das Trau­rige ist, daß Typen, die sich mit Geld alles kaufen können niemals die Erkennt­nis erhal­ten, wie bescheu­ert sie eigent­lich sind. Dieses Gefühl über­trägt sich dann sogar auf die Spei­chel­le­cker.

  2. Huhu,

    wo ist denn hier der “Gefällt mir…” Button?
    Klasse, einfach nur Klasse, tja da haben sich die Koor­di­na­ten Roms etwas geän­dert, manch einer macht gerne ne Welle und die Zeit in manchen Läden dreht sich um hunderte von Jahren zurück…

    In dem Sinne
    Klaus

  3. @Ralle
    Ja, Münch­ner Verhält­nisse trifft es wohl ganz gut.

    @Klaus Lindow
    Ach ja, die spät­rö­mi­sche Deka­denz, die ja schon Wester­welle ange­pran­gert hat.
    Aber ich befürchte, er meinte eine andere Klien­tel ;-)

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