Lebensdaten: * 25. Juni 1842 (Perlin/Mecklenburg) + 7. November 1906 (Berlin)

Informationen zur Person:
Schriftsteller und Ingenieur

Der als Heinrich Friederich Willhelm Karl Phillip Georg Eduard geborene älteste Sohn des Dorfpastors Heinrich Alexander Seidel hatte sich seinen beruflichen Erfolg als Ingenieur hart erkämpft. Immerhin verließ er das Schweriner Gymnasium Fridericianum 1859 ohne Abitur. Er wurde Lehrling in einer Lokomotivreparatur-Werkstatt in Schwerin, wechselte aber nach einem halben Jahr zur Polytechnischen Schule in Hannover. Hier kam er seinem Wunsch, Techniker zu werden, ein großes Stück näher. Aufgrund des frühen Todes seines Vater kehrte Seidel aber nach schon nach zwei Jahren zurück und arbeitete in einer Güstrower Maschinenfabrik. Hier und in einem weiteren Betrieb sammelte er knapp fünf Jahre praktische Erfahrungen, um dann noch einmal ein Studium zu beginnen, diesmal an der berühmten Königlichen Gewerbeakademie in Berlin.
Zu dieser Zeit stand in Berlin der Schwermaschinenbau in voller Blüte. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Ingenieurstudiums heuerte Seidel zunächst in der Maschinenbauanstalt Wöhlert an, dann bei der Potsdamer Bahn und schließlich bei der Anhaltischen Eisenbahngesellschaft, wo er sieben Jahre blieb. Hier erhielt er einen Auftrag, der ihn als Ingenieur bald weit über Berlin hinaus bekannt machte: Er konstruierte das eiserne Dach der riesigen Ankunftshalle des Anhalter Bahnhofs. Mit einer Spannweite von 62,5 Meter war es damals das größte Bahnhofshalle in Europa.

Doch Henrich Seidels Berufung war eine andere. Schon in seiner Zeit in der Güstrower Maschinenbaufabriken hatte er mehr oder weniger intensiv geschrieben, bislang allerdings wenig erfolgreich. Das sollte sich auch vorerst nicht ändern, als er sich 1880 entschloss, seine Ingenieurskarriere zu beenden und sich „fortan ausschließlich dichterischen Arbeiten zu widmen“. Noch bis Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts sollte es dauern, bis Seidel als freier Schriftsteller endlich Erfolg hatte.
Seine ersten Anerkennungen kamen mit dem ersten Teil von „Leberecht Hühnchen“, einem seiner bis heute bekanntesten Werke. „Leberecht Hühnchen gehörte zu den Bevorzugten, denen eine gütige Fee das beste Geschenk, die Kunst glücklich zu sein, auf die Wiege gelegt; er besaß die Gabe, aus allen Blumen, selbst aus den giftigen, Honig zu saugen. Ich erinnere mich nicht, daß ich ihn länger als fünf Minuten lang verstimmt gesehen hätte, dan brach der unversütliche Sonnenschein seines Innern siegreich wieder hervor, und er wußte auch die schlimmste Sache so zu drehen und zu wenden, daß ein Rosenschimmer aus ihr ausging.“
Genau jener rosenschimmernde Optimismus ist es, der dem Schriftsteller Heinrich Seidel oft den Vorwurf einbrachte, ein wirklichkeitsfremder, der realen Welt abgewandter Poet zu sein. Allerdings stellten sich bekannte Schriftstellerkollegen wie Theodor Storm und Gottfried Keller lobend hinten Seidel.

Seidel stellte das Berlin vor 1900 nicht sozialkritisch dar, sondern durch seine Brille des kleinen Hauseigentümers, der aber die Verwandlung der Stadt während der Gründerjahre durchaus mit Abstand betrachtete. „Die Grundstücke hier in der Gegend sind durch die eingetretene Bausucht gewaltig im Preis gestiegen. Gestern war ein Bauunternehmer bei mir mit einem Burgundergesicht und drei Unterkinnen. Er wollte mir mein Grundstück abkaufen und bot schließlich sechs mal mehr, als es mich, den Neubau miteingerechnet, im ganzen gekostet hat.“ Später verkauft Heinrich Seidel sein Haus in der Steglitzer Albrechtstraße und zieht nach Lichterfelde. Hier, auf dem Alten Friedhof an der Moltkestraße, ist er auch begraben.

Werke:
1874 Aus der Heimat, Novellen
1880 Vorstadtgeschichten
1882 Leberecht Hühnchen, Jorinde und andere Geschichten
1884 Ernst und Scherz
1888 Neues von Leberecht Hühnchen und anderen Sonderlingen
1888 Natursänger
1890 Leberecht Hühnchen als Großvater
1891 Sonderbare Geschichten
1894 Von Perlin nach Berlin, Lebenserinnerungen
1901 Leberecht Hühnchen (Gesamtausgabe)
1902 Heimatgeschichten (Gesamtausgabe)
1900-1906 (in 3 Bänden) Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande

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