Verpeilt

Der erste Eindruck war: “Oh, Inspek­tor Colombo wankt da auf mein Taxi zu!” Glei­cher Körper­bau, Gesicht und Mantel zerknit­tert, sogar eine Ziga­rette steckte lässig zwischen den Fingern. Während man beim Origi­nal aller­dings den Eindruck haben konnte, dass ein biss­chen viel weiche Drogen im Spiel waren, war es bei ihm wohl eher der Alko­hol. Sein Trench­coat und der farb­lich passende Hut schief am Mann, so grinste er mir ins Auto. Zwar verstand ich seine Spra­che nicht, die schwer an Klin­go­nisch erin­nerte, aber “Inter­conti” konnte ich heraus­hö­ren.

Die Fahrt vom Gendar­men­markt in die Buda­pes­ter Straße dauert norma­ler­weise nur zehn Minu­ten, aber wenn der 17. Juni gesperrt und die Tier­gar­ten­straße entspre­chend voll ist, braucht man schon sehr viel mehr Geduld. Mein Fahr­gast entpuppte sich dabei als fröh­li­cher Sänger: Während wir uns im Schne­cken­tempo weiter beweg­ten, sang er aus voller Kehle “Muss i denn, muss i denn zum Städ­tele hinaus”. Es sollte sich Deutsch anhö­ren und mit viel Fanta­sie verstand man es auch. Aber es war klar, dass er das ganze Lied nur auswen­dig gelernt hatte, denn er sprach auch weiter­hin kein Deutsch.
Warmes Wetter, offe­nes Fens­ter, die Passan­ten und Radfah­rer neben uns lach­ten ins Auto, Colombo verbrei­tete allseits gute Laune. Leider umfasste sein Reper­toire nur dies eine Lied, und als er es direkt hinter­ein­an­der zum drit­ten Mal anstimmte, bremste ich ihn aus. Doch die Stille hielt nicht lang. Im Lande­an­flug auf’s Hotel begann er, die Melo­die zu pfei­fen.

Als der Door­man die Tür öffnete und ich meinen Fahr­gast abkas­sie­ren wollte, schaute der etwas desori­en­tiert.
“Inter­conti?”
“Ja, da sind wir. Yes, here we are. Inter­conti.”
“No.”
Da es in Berlin nur ein einzi­ges Inter­conti gibt, war ich mir sicher, keinen Fehler gemacht zu haben. Plötz­lich jedoch begann Colombo laut­hals zu lachen und nannte mir ein neues Fahr­ziel: Radis­son. Er hörte gar nicht mehr mit Lachen auf, er gluckste und hustete, so dass ich begann, mir nicht nur um meine Einnah­men, sondern auch um seine Gesund­heit Sorgen zu machen.

Also wieder zurück nach Mitte, Karl-Lieb­knecht-Straße. Dies­mal ohne Gesang, trotz­dem war er noch fröh­lich und tele­fo­nierte die meiste Zeit. Die Spra­che konnte ich weiter­hin nicht iden­ti­fi­zie­ren.
Am Hotel Radis­son ange­kom­men, wollte er wieder nicht ausstei­gen. Statt­des­sen tele­fo­nierte er noch­mal und reichte mir dann das Handy. Die Dame sprach auch kein Deutsch, aber wenigs­ten war unser beider Englisch kompa­ti­bel.
“Take him to Park Inn.” So fuhren wir weiter bis zum Hotel Park Inn am Alex. Dies­mal war es die rich­tige Adresse. Es hätte mich aber auch nicht mehr gewun­dert, wenn er statt­des­sen zu Park Inn nach Wilmers­dorf gewollt hätte.
Trotz allem war es eine lustige Tour.

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